So ganz neu ist diese Äußerung nicht mehr, aber sie hat sich unter den Alltagswendungen einen festen Platz erobert. Sie überlebt, während viele andere modisch und nur kurzlebig sind. Im Alltag nebenbei gefragt: „Wie geht’s?“, gibt es häufig als Antwort: „Alles gut!“
Was ist das?
Die Frage: „Wie geht’s?“ ist eine schwere Frage.
Sie kann als Wendung gemeint sein, die ein Gespräch eröffnet. „How do you do?“ oder „How are you?“ ist das Pendant im Englischen. Darauf darf niemals etwas anderes als „Fine!“ geantwortet werden. Meist wird sogar exakt die gleiche Frage zurückgegeben – und eine Antwort bleibt aus. Der eigentliche Sinn der Frage ist verloren gegangen.
Die Frage: „Wie geht’s?“ kann aber auch ehrlich gemeint sein. Wenn ich sie stelle, wähle ich die etwas längere Form: „Wie geht es dir?“ – oder: „Wie geht es Ihnen?“ Ich möchte dann eine ehrliche Antwort. Ich möchte dem*der Gefragten einen Raum eröffnen zum Erzählen. Was da kommt, interessiert mich wirklich.
Die Antwort: „Alles gut!“ stimmt selten. Sie fasst im Idealfall vergröbernd zusammen. Bei keinem Menschen ist „alles“ gut. Warum also diese Antwort?
Da traut sich jemand nicht, etwas anzusprechen. Das hat Gründe. Es ist zu wenig Zeit. Es geht zu tief rein, was da angesprochen werden müsste. Oder das, was es anzusprechen gilt, ist noch nie gesagt worden. Es kostet Mut, das zu tun. Möglicherweise muss auch eine innere Barriere übersprungen werden. Das kann schwer sein.
Also folgt eine Antwort, die ein wenig unaufrichtig ist – und mit der im Grunde das Eigentliche verdrängt wird. Wenn ich dann nachfrage, bekomme ich nicht selten einen fragenden Blick zurück. Damit prüft mein Gegenüber, ob ich wirklich bereit bin, mir das anzuhören, was er*sie zu sagen hat. Dann ein Zögern. Und dann gibt es zwei Möglichkeiten.
Die eine: „Nee wirklich, alles gut!“; sie macht klar, dass es hier nicht weitergeht. Merken Sie die Beteuerung? Das „wirklich“ oder „echt“ in der Antwort? Manchmal auch die Eröffnung mit „Och“? Keine Chance. Aber wahrer wird das „alles gut“ damit noch lange nicht.
Die andere: „Also …“; und dann kommt, was nicht gut ist.
Ich finde reizvoll zu sehen, dass wir oft dazu neigen, das Negative, das, was nicht gut ist, an den Anfang zu stellen. „Störungen haben Vorrang“ ist eine Grundregel der „Themenzentrierten Interaktion“. Mit gutem Grund. Was stört, liegt obenauf. Das muss angesehen und besprochen werden, bevor die Beschäftigung mit etwas anderem möglich wird.
Wie meinen Sie die Frage: „Wie geht’s?“, wenn Sie sie verwenden? Wie reagieren Sie auf ein „Alles gut!“? Und … verwenden Sie es manchmal selbst?